"Unter der Interpretation $i$ ist die Formel $(p \\vee (\\neg p \\wedge q)$ wahr."
]
...
...
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"\n",
"\n",
"\n",
"Die Interpretation $i'$ = $\\{p\\mapsto FALSE,q\\mapsto FALSE\\}$ ist kein Modell von $(p \\vee (\\neg p \\wedge q)$.\n",
"Die Interpretation $i'$ = $\\{p\\mapsto FALSE,q\\mapsto FALSE\\}$ ist kein Modell von $(p \\vee (\\neg p \\wedge q))$.\n",
"Die Formel ist also keine Tautologie, aber erfüllbar.\n",
"\n",
"Die Formel $p \\vee \\neg p$ ist eine Tautologie: alle Interpretation machen die Formel wahr.\n",
...
...
%% Cell type:markdown id: tags:
# Theoretische Informatik - Vorlesung 0 - Teil 1 Logik
* April 2020
* Michael Leuschel
* Lehrstuhl Softwaretechnik und Programmiersprachen
* Heinrich-Heine Universität Düsseldorf
Grundlagen der Logik und Mengentheorie sind nicht im Skript.
Hier definieren wir einige Grundlagen und Notationen die im Skript verwendet werden.
Ein gutes Verständnis dieser Grundlagen und Notationen ist für das Verständnis des Skripts, aber auch anderer Teile der Informatik unumgänglich.
Die Folien für diese Grundlagen sind als Jupyter Notebooks erstellt worden und im [Gitlab der Informatik](https://gitlab.cs.uni-duesseldorf.de/general/stups/prob-teaching-notebooks) erhältlich.
%% Cell type:markdown id: tags:
## Was ist ein Notebook?
* Dokument mit Text und ausführbaren Code-Abschnitten
* Code kann interaktiv ausgeführt werden
* Ergebnisse erscheinen im Notebook unter dem jeweiligem Code
* Ähnlich wie eine REPL (read-eval-print-loop), mit einigen Unterschieden:
* Ausgaben können formatierten Text und Grafiken enthalten
* Speicherbar als Datei
* Code kann später neu ausgeführt werden
* Weitergabe an andere Nutzer möglich
* Implementierungen: Mathematica, Maple, Jupyter, u. a.
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## Jupyter Notebook
* Browserbasierte Notebook-Oberfläche
* Open Source und plattformübergreifend
* Stammt aus der Python-Community, in Python implementiert
* ACM System Software Award 2017
* Jupyter-Notebooks verschiedene Programmiersprachen verwenden
* Ein sprachspezifischer **Kernel** stellt die Sprache dem Jupyter Frontend zur Verfügung
%% Cell type:markdown id: tags:
## [ProB](https://www3.hhu.de/stups/prob) Kernel

*[ProB](https://www3.hhu.de/stups/prob) ist ein Werkzeug zur Animation, Verifikation und Visualisierung formaler Spezifikationen
* Unterstützt B-Spezifikationen für sicherheitskritsche Anwendungen
* Entwicklung am STUPS Lehrstuhl
* Grundlage: Solver für Prädikatenlogik, Mengentheorie mit Relationen, Funktionen und Arithmetik.
* Eignet sich aber auch für mathematische Ausführungen
* Der [ProB-Jupyter-Kernel](https://gitlab.cs.uni-duesseldorf.de/general/stups/prob2-jupyter-kernel) stellt die B Sprache und die mathematischen Grundlagen für Jupyter Notebooks zur Verfügung
Um diese Notebooks zu starten kann man entweder selber Jupyter und den [ProB Kernel](https://gitlab.cs.uni-duesseldorf.de/general/stups/prob2-jupyter-kernel) installieren.
Man kann aber auch die Notebooks vom Browser aus mit Binder starten (das dauert besonders beim ersten Mal etwas länger):
Damit Jupyter formattierte Ausgabe für Formeln und Tabellen zulässt muss rechts oben in der Menuleiste auf "Not Trusted" drücken. Wenn das Notebook als "Trusted" markiert ist wird JavaScript aktiviert und die Ausgabe wird besser ausgegeben.
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# Was ist Logik?
Quelle [Wikipedia](https://de.wikipedia.org/wiki/Logik):
* vernünftiges Schlussfolgern, Denklehre
* In der Logik wird die Struktur von Argumenten im Hinblick auf ihre Gültigkeit untersucht, unabhängig vom Inhalt der Aussagen
* Traditionell ist die Logik ein Teil der Philosophie.
* Seit dem 20. Jahrhundert versteht man unter Logik überwiegend symbolische Logik, die auch als grundlegende Strukturwissenschaft, z. B. innerhalb der Mathematik und der theoretischen Informatik, behandelt wird.
%% Cell type:markdown id: tags:
# Warum Logik studieren?
* Hardware: logische Schaltkreise
* Wissensdarstellung und intelligentes Denken: Künstliche Intelligenz, deklarative Darstellung von Wissen, semantisches Web, ...
* Überlegungen über Programme: Verifikation, statische Programmanalyse, Programmoptimierung,...
* Universale Vorrichtung zur Berechnung: Datenbanken, logische Programmierung, ...
* Grundlage der Mathematik und auch der theoretischen Informatik
* Halpern et al. On the Unusual Effectiveness of Logic in Computer Science. https://www.cs.cmu.edu/~rwh/papers/unreasonable/basl.pdf
* Zitat aus diesem Artikel: ```The effectiveness of logic in computer science is not by any means limited to the areas mentioned in here. As a matter of fact, it spans a wide spectrum of areas, from artificial intelligence to software engineering. Overall, logic provides computer science with both a unifying foundational framework and a powerful tool for modeling and reasoning about aspects of computation.```
%% Cell type:markdown id: tags:
# Welche Logik studieren?
* Aussagenlogik
* Prädikatenlogik der ersten Stufe (FOL - First Order Logic)
* Logik höherer Stufe (HOL - Higher Order Logic)
* eine temporale Logik
* eine mehrwertige Logik oder gar Fuzzy Logik
* Relevanzlogik, lineare Logik
* eine nichtmonotone Logik
Wir werden die klassische, zweiwertige, monotone **Aussagenlogik**
und **Prädikatenlogik** studieren (zusammen mit Mengentheorie).
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# Aussagenlogik
Eine Aussage ist endweder wahr (TRUE) oder falsch (FALSE).
Hier sind vier Aussagen:
1. Siegfried ist ein Ritter
2. Alle Ritter sagen die Wahrheit
3. Siegfried sagt "Ich habe den Drachen getötet"
4. Siegfried hat den Drachen getötet.
Die Logik interessiert sich weniger ob Aussagen wahr oder falsch sind, sondern mehr um Zusammenhänge zwischen möglichen Wahrheitswerten verschiedener Aussagen und Formeln.
Zum Beispiel, wenn wir die Aussagen 1,2 und 3 als wahr annehmen, dann müssen wir auch die Aussage 4 als wahr annehmen.
Einige Aussagen haben manchmal vordefinierte Wahrheitswerte.
Wir zum Beispiel benutzen Arithmetik und Mengetheorie in unseren logischen Formeln, ohne diese selber in Logik zu formalisieren.
Hier sind ein paar Aussagen in Arithmetik:
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
2>1
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
1+1 = 2
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
2<1
```
%% Output
$\mathit{FALSE}$
FALSE
%% Cell type:markdown id: tags:
# Junktoren und Formeln
Jede Aussage ist auch eine Formel der Aussagenlogik.
Mit den Junktoren kann man Aussagen und Formeln zu grösseren Formeln der Aussagenlogik kombinieren.
Die Negation ```¬(F)``` einer Formel F ist auch eine Formel. Die negierte Formel ist wahr genau dann wenn (gdw) die ursprünglihe Formel falsch ist:
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
¬(2<1)
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
¬(1+1=2)
```
%% Output
$\mathit{FALSE}$
FALSE
%% Cell type:markdown id: tags:
In diesen Notebooks muss der Inhalt der Negation immer geklammert werden. Im Skript ist das nicht immer nötig.
%% Cell type:markdown id: tags:
Die Konjunktion ```F ∧ G``` von zwei Formeln ist wahr gdw beide Formeln wahr sind:
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
2>1 ∧ 1>0
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
2>1 ∧ 1>2
```
%% Output
$\mathit{FALSE}$
FALSE
%% Cell type:markdown id: tags:
Die Disjunktion ```F ∨ G``` von zwei Formeln ist wahr gdw mindestes eine der beiden Formeln wahr sind:
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
1>1 ∨ 1>2
```
%% Output
$\mathit{FALSE}$
FALSE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
2>1 ∨ 3>1
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:markdown id: tags:
Die Implikation ```F ⇒ G``` von zwei Formeln ist wahr wenn entweder beide Formeln wahr sind oder die erste Formel F falsch ist:
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
2>1 ⇒ 3>1
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
2<1 ⇒ 1+1 = 5
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
2>1 ⇒ 1+1=5
```
%% Output
$\mathit{FALSE}$
FALSE
%% Cell type:markdown id: tags:
Die Äquivalenz ```F ⇔ G``` von zwei Formeln ist wahr wenn entweder beide Formeln wahr sind oder beide Formeln falsch sind:
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
1=2 ⇔ 2=1
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
1=3 ⇔ 1=1024
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
TRUE
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
1=1 ⇔ 2=3
```
%% Output
$\mathit{FALSE}$
FALSE
%% Cell type:markdown id: tags:
## Prioritäten
Anmerkung: Wir nehmen an, dass $\neg$ am stärksten bindet, dann kommen $\wedge$, $\vee$, $\Rightarrow$ und schließlich ⇔.
Die Formel $(p \vee (\neg p \wedge q))$ steht also für $(p \vee (\neg(p) \wedge q)$.
Wir schreiben diesen Tatbestand als $(p \vee (\neg p \wedge q)) \equiv p \vee q$.
Kleine Anmerkung: das Werkzeug im Jupyter Notebook akzeptiert keine aussagenlogische Variablen sondern nur Bool'sche Datenvariablen. Anstatt $p$ muss man ```p=TRUE``` schreiben und anstatt $p \vee q$ muss man ```p=TRUE ∨ q=TRUE``` schreiben. Mit ```bool(P)``` konvertiert man den Wahrheitswert einer Formel in einen Bool'schen Datenwert um.
$\equiv$ ist eine Relation zwischen logischen Formeln.
$\equiv$ ist transitiv und kommutativ.
%% Cell type:markdown id: tags:
# Wichtige Äquivalenzen
Für alle Formeln $\phi, \psi$ der Aussagenlogik gilt:
Diese Übersetzung erlaubt zwei Modelle, und auch eine fehlerhafte "Lösung" mit X als Schurken und Y als Ritter. Diese Lösung ist falsch, da X und Y die Wahrheit sagen, aber nur Y ein Ritter ist.
%% Cell type:markdown id: tags:
# Beweis durch Widerspruch
* Theorem: $\phi \models \psi$ genau dann wenn $\phi \wedge \neg \psi$ kein Modell hat
Beweis (ist ein Äquivalenzbeweis auf Metaebene):
* $\phi \models \psi$
* $\Longleftrightarrow$ alle Modelle von $\phi$ sind auch Modelle von $\psi$ (per Definition von $\models$)
* $\Longleftrightarrow$ in allen Modellen von $\phi$ hat $\neg \psi$ den Wahrheitswert falsch (per Definition von $\neg$)
* $\Longleftrightarrow$ alle Modelle von $\phi$ sind kein Modell von $\phi \wedge \neg \psi$ (per Definition von $\wedge$)
* $\Longleftrightarrow$ $\phi \wedge \neg \psi$ hat kein Modell (da auch kein Modell von $\neg \phi$ ein Modell von $\phi \wedge \neg \psi$ sein kann)
* dem binären Prädikatensymbol $<$, hier in Infix-Notation, mit zwei Argumenten: $x$ und $5$. (In Präfix-Notation würde man $<(x,5)$ schreiben.)
Innerhalb von ```x<5``` ist $x$ eine freie Variable.
In einer <b>geschlossenen</b> Formel der Prädikatenlogik müssen alle Variablen durch Quantoren gebunden werden.
%% Cell type:markdown id: tags:
# Quantoren
In der Prädikatenlogik gibt es zwei Quantoren:
* den <b>Existenzquantor</b> $\exists$
$\exists x. P$ ist wahr, wenn es mindestens ein Objekt $o$ gibt, so dass wenn man $x$ durch $o$ in $P$ ersetzt die Formel (ohne den Quantor) wahr ist
* den <b>Allquantor</b> $\forall$ (auch Universalquantor genannt)
$\forall x. P$ ist wahr wenn die Formel $P$ für alle möglichen Ersetzungen von $x$ durch ein Objekt $o$ wahr ist
* $\exists x. x<5$ ist eine geschlossene Formel (aka eine Aussage). Mit der Standardinterpretation von $<$ und $5$ ist diese Formel wahr; eine Lösung ist $x=4$.
* $\forall x. x<5$ ist auch eine geschlossene Formel.
Mit der Standardinterpretation von $<$ und $5$ ist diese Formel falsch. Ein Gegenbeispiel ist $x=5$.
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
∃x.(x<5)
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
**Solution:**
* $\mathit{x} = 0$
TRUE
Solution:
x = 0
%% Cell type:markdown id: tags:
In diesem Jupyter Notebook werden automatisch Existenzquantoren für alle offenen Variablen einegfügt:
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
x<5
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
**Solution:**
* $\mathit{x} = 0$
TRUE
Solution:
x = 0
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
x+20 = 30
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
**Solution:**
* $\mathit{x} = 10$
TRUE
Solution:
x = 10
%% Cell type:code id: tags:
``` prob
x*x = 10000
```
%% Output
$\mathit{TRUE}$
**Solution:**
* $\mathit{x} = -100$
TRUE
Solution:
x = −100
%% Cell type:markdown id: tags:
# Logische Äquivalenz, Schlussfolgerung
Diese beiden Definitionen übernehmen wir wortwörtlich aus der Aussagenlogik:
* Zwei Formeln $\phi$ und $\psi$ sind <b>äquivalent</b> gdw sie die selben Modelle haben.
* Wir schreiben dies als $\phi \equiv \psi$.
* Eine Formel $\psi$ ist eine <b>logische Schlussfolgerung</b> von $\phi$, wenn alle Modelle von $\phi$ auch Modelle von $\psi$ sind.
* Wir schreiben dies als $\phi \models \psi$.
%% Cell type:markdown id: tags:
Das Konzept der Modelle ist aber in Prädikatenlogik komplizierter:
* eine Menge an Objekten muss ausgewählt werden
* die Konstanten und Funktionen müssen den Objekten zugeordnet werden
* die Prädikate müssen Objekte auf Wahrheitswerte abbilden; Aussagen sind ein Spezialfall von Prädikaten.
* (manchmal sind bestimmte Symbole vordefiniert, wie $<$, $+$ oder $5$)
Dies ist nicht Inhalt dieser Vorlesung.
%% Cell type:markdown id: tags:
# Quantoren: Einige Gesetze der Prädikatenlogik
Mit diesen beiden Gesetzen kann man die Negation zu den atomaren Aussagen und Prädikaten verschieben: